Die frühe Kindheit ist eine faszinierende Phase, die durch rasante Entwicklungsschritte geprägt ist. Einer der interessantesten und wichtigsten Prozesse in den ersten Lebensjahren ist die sogenannte Ich-Erweiterung. Dieser Begriff beschreibt den Übergang eines Säuglings von einem anfänglichen, diffusen Selbstverständnis hin zu einem klaren Bewusstsein seiner eigenen Person. Doch was bedeutet dies genau? Wie äußert sich diese Entwicklung und welche Auswirkungen hat sie? Die Ich-Erweiterung bei Säuglingen: Entwicklung, Auswirkungen und Ausdrucksformen.
Was ist die Ich-Erweiterung?
Die Ich-Erweiterung bezeichnet den Entwicklungsprozess, in dem ein Säugling langsam ein Bewusstsein für sich selbst als eigenständiges Individuum entwickelt. In den ersten Lebensmonaten empfindet ein Baby sich selbst und seine Umgebung noch als eine Einheit. Es gibt noch keine klare Trennung zwischen dem eigenen Selbst und den anderen Menschen oder Objekten in der Umwelt. Dieses allmähliche Erwachen des Selbstbewusstseins ist ein wichtiger Schritt in der kognitiven und emotionalen Entwicklung eines Kindes.
Phasen und Zeitpunkt der Ich-Erweiterung
Die Ich-Erweiterung beginnt etwa ab dem dritten Lebensmonat und dauert bis zum Ende des zweiten Lebensjahres an. Diese Entwicklung lässt sich in verschiedene Phasen unterteilen:
- Phase der primären Zirkulärreaktionen (0-4 Monate): In dieser frühen Phase sind die Handlungen des Babys meist zufällig und nicht zielgerichtet. Das Kind reagiert hauptsächlich auf unmittelbare Reize aus seiner Umgebung.
- Phase der sekundären Zirkulärreaktionen (4-8 Monate): Das Baby beginnt, mehr Interesse an der Außenwelt zu entwickeln. Es wiederholt Handlungen, die interessante Effekte hervorrufen. Erste Anzeichen eines Bewusstseins für die eigene Handlungsmacht werden sichtbar.
- Phase der tertiären Zirkulärreaktionen (8-12 Monate): Das Kind experimentiert zunehmend mit verschiedenen Handlungen und beobachtet deren Auswirkungen. Es wird sich allmählich bewusst, dass es durch eigene Handlungen Veränderungen herbeiführen kann.
- Entstehung des objektiven Selbstbewusstseins (ab 12 Monate): In dieser Phase erkennt das Kind, dass es selbst ein eigenständiges Wesen ist, das sich von anderen Menschen und Objekten unterscheidet. Dies zeigt sich oft durch das sogenannte Rouge-Test: Wird dem Kind unbemerkt ein roter Fleck auf die Nase gemalt und es erkennt sich im Spiegel, versucht es, den Fleck von der eigenen Nase zu wischen. Dies ist ein klarer Hinweis auf das erwachende Selbstbewusstsein.
Auswirkungen der Ich-Erweiterung
Die Entwicklung eines Selbstbewusstseins hat weitreichende Auswirkungen auf die emotionale und soziale Entwicklung des Kindes:
- Bindungsverhalten: Ein wachsendes Selbstbewusstsein geht oft mit einer stärkeren Bindung an die primären Bezugspersonen einher. Das Kind versteht besser, dass es von ihnen getrennt ist, was zu Trennungsängsten führen kann, aber auch die Basis für eine sichere Bindung legt.
- Emotionale Regulation: Mit der Ich-Erweiterung entwickelt das Kind bessere Fähigkeiten zur emotionalen Selbstregulation. Es lernt, seine eigenen Gefühle zu erkennen und darauf zu reagieren.
- Soziale Interaktionen: Das Bewusstsein der eigenen Person ermöglicht es dem Kind, komplexere soziale Interaktionen zu führen. Es kann besser zwischen sich und anderen unterscheiden und beginnt, Empathie zu entwickeln.
Ausdrucksformen der Ich-Erweiterung
Die Ich-Erweiterung zeigt sich in verschiedenen Verhaltensweisen:
- Spiegel-Selbsterkennung: Wie bereits erwähnt, ist die Fähigkeit, sich im Spiegel zu erkennen, ein wichtiges Zeichen für das erwachende Selbstbewusstsein.
- Besitzverhalten: Kinder beginnen, Besitzansprüche zu stellen und entwickeln ein Verständnis dafür, dass bestimmte Objekte „ihnen gehören“. Das Wort „mein“ wird oft gebraucht.
- Unabhängigkeitsstreben: Das Kind zeigt zunehmendes Interesse daran, Dinge selbst zu tun. Dies kann sich in Trotzphasen und einem starken Drang nach Autonomie äußern.
- Rollenspiele: Kinder beginnen, Rollenspiele zu spielen, bei denen sie verschiedene soziale Rollen ausprobieren und nachahmen. Dies fördert das Verständnis für sich selbst und andere.
Die Ich-Erweiterung bei Säuglingen: Entwicklung, Auswirkungen und Ausdrucksformen.
Fazit
Die Ich-Erweiterung bei Säuglingen: Entwicklung, Auswirkungen und Ausdrucksformen. Die Ich-Erweiterung ist ein fundamentaler Prozess in der frühen Kindheit, der die Grundlage für das spätere Selbstbewusstsein und die emotionale sowie soziale Kompetenz legt. Eltern und Betreuer können diesen Prozess unterstützen, indem sie ein sicheres und stimulierendes Umfeld bieten, in dem das Kind seine Fähigkeiten erkunden und entwickeln kann. Das Verständnis der Phasen und Ausdrucksformen der Ich-Erweiterung hilft, die Bedürfnisse des Kindes besser zu erkennen und auf seine Entwicklungsbedürfnisse einzugehen.
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